JOANNA SCHULTE |
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WEIL DAS WAS IST NICHT ALLES IST Licht/Klanginstallation | 2016 |
Weil das was ist nicht alles ist Textauszug aus dem Katalog WIR SIND WAS WIR WAREN, 2016 von Stephan Berg Für die Stadthalle im rheinischen Linz hat die Künstlerin nun eine auf den ersten Blick fast minimalistisch wirkende, inhaltlich jedoch von vielfältigen Resonanzräumen und Echos erfüllte Rauminstallation entworfen. »Weil das was ist nicht alles ist« (2016) verweist schon in seinem Adorno entlehnten Titel auf die Sehnsucht nach Überwindung der Dichotomie zwischen Realität und künstlerischer Fantasie, zwischen Fakt und Fiktion, die wie ein roter Faden das Werk durchläuft. Dass die Stadthalle Linz eigentlich einmal eine im 17. Jahrhundert erbaute Klosterkirche der Kapuziner war, die erst 1973 zum Veranstaltungssaal umgebaut wurde, kommt der Künstlerin dabei zupass, weil das Gebäude damit selbst den Akt der Verwandlung, der Transformation durchlaufen hat, der auch für alle Arbeiten Joanna Schultes die wesentliche Grundlage bildet. Dieses Gebäude ist in sich ein Muster an Uneigentlichkeit: Die Madonna über dem Portal prägt den kirchlichen Außeneindruck, der innen der Realität einer nüchternen Mehrzweckhalle weicht, die dort, wo sich der bei den Umbauten in den 1970er-Jahren auf mysteriöse Weise verschwundene barocke Hochaltar befand, nun eine von Vorhängen gerahmte Bühne bereithält. |
Alles in dieser Arbeit ist davon bestimmt, einen Raum der Ambivalenz, der Transformation und einer nie ganz eingelösten Erwartung zu öffnen, in dem die Eindeutigkeit des Entweder/Oder keinen Platz mehr hat. Die ganze Halle wirkt so, als würde sie auf Dauer den Atem anhalten, weil alles, was in ihr geschieht, zugleich sein Dementi enthält. Die Bühne mit dem hinter dem Monitor zugezogenen Vorhang sieht uns so an, als warte sie noch auf den Auftritt, der in Wahrheit doch schon in Gestalt des Monitors Wirklichkeit geworden ist. Und dieser Monitor wiederum enthält selbst eigentlich nichts weiter als eine sakrale Leerstelle, nämlich die Projektion des unwiderruflich verschwundenen Altars, sowie eine (falsche) Braut, die – auf dem Boden des Kirchenschiffs liegend – diesen Phantomaltar vermutlich nie erreichen wird. Eben diese produktive Ent-Täuschung erlebt auch der Besucher, der durch die auf die Bühne zulaufenden Lichtbahnen suggestiv zu diesem Monitor hingezogen wird, um dann zu erkennen, dass dieser selbst die Lücke darstellt, die durch ihn eigentlich geschlossen werden sollte. Beim Blick zurück in Richtung Eingang und Empore wird er mit einer in unerreichbarer Höhe schwebenden und ausschließlich um sich selbst kreisenden Disco-Kugel konfrontiert, die als Metapher für die weltliche Sphäre gleichzeitig doch jede Zugänglichkeit verweigert und wie ein kaltes glitzerndes Gestirn wirkt, dessen selbstreflexive Rotation nicht Genuss oder wenigstens lärmendes Partyvergessen verspricht, sondern allenfalls Abwesenheit und Entzug. Und doch ist diese Konstellation keine Übung in Beckett´scher Auswegslosigkeit eines ewigen Wartens. Was sich hier und in diesem Werk insgesamt entfaltet, zielt nicht auf Vergeblichkeit, sondern lebt von einer nie zu Ende gehenden Erwartung. In diesem Reigen des permanenten Nicht-Mehr und Noch-Nicht verliert die Realität ihre vermeintliche Unhintergehbarkeit. Statt sich dem Factum brutum des »So seins« der Dinge zu fügen, hat Joanna Schulte einen Bildreigen geschaffen, in dem nichts einfach nur faktisch gegeben ist, sondern stets schon dadurch anders, neu und möglich wird, dass man es als solches künstlerisch benennt. |